Start von Cape Canaveral (
KSC) und
Landung in Cape Canaveral (
KSC), Runway 33.
STS-78 beförderte die Mission
"Life and
Microgravity Spacelab" (LMS) in die Erdumlaufbahn. 41 Experimente von
Wissenschaftlern aus elf Nationen wurden während der bisher längsten
Shuttle-Mission im Spacelab und im Mitteldeck durchgeführt. Schwerpunkte
waren die Lebenswissenschaften Medizin und Biologie sowie die Mikrogravitation.
Erforscht wurden die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf einzelne Muskel- und
Knochengewebe. So wurden durch Atmungs- und Pulsmessungen Belastungstests
vorgenommen und die Effekte auf einzelne Muskelfasern gemessen. Ermittelt
wurden ebenso die Reaktionen des Körpers insbesondere des Nervensystems
auf den fortschreitenden Muskelschwund. Dazu wurden Messungen der
Muskelaktivität an Hand, Arm und Bein vorgenommen. Mit Hilfe von
Blutproben konnte der Hormonspiegel festgestellt werden. Weitere Untersuchungen
betrafen die Kontraktionsfähigkeit der Muskeln, den Zusammenhang zwischen
Kontraktionsgeschwindigkeit und Belastung sowie zwischen Stärke des
Nervenimpulses und Muskelkontraktion, die Veränderung des Muskelvolumens
während und nach dem Raumflug, das Verhältnis von Körperfett und
Muskelmasse und die Leistungsfähigkeit der Skelettmuskulatur vor,
während und nach dem Raumflug.
Schließlich wurden
Gleichgewichtsuntersuchungen durchgeführt. Ohne die Wirkung der
Schwerkraft wird das Vestibularorgan im Innenohr mit Reizen überflutet.
Der Körper der meisten Raumfahrer reagiert darauf mit Übelkeit und
verminderter Leistungsfähigkeit. Eine Anpassung dauert meistens mehrere
Tage. Während der Columbia-Mission wurden durch spezielle
Messeinrichtungen die Bewegungen von Augen, Kopf und Oberkörper zu Beginn
der Mission, nach einigen Tagen und kurz vor der Rückkehr auf die Erde
gemessen und aufgezeichnet. Damit sollte erfasst werden, wie schnell der
Anpassungsvorgang abläuft. Bei einem zweiten Experiment zu diesem
Problemkreis trugen die Astronauten einen Cyberhelm, auf dessen Bildschirmen
sie bewegliche Objekte angezeigt bekamen. Denen sollten sie mit den Augen
folgen. Die Bewegungen des Kopfes und die Augenkoordination wurde
aufgezeichnet.
In der
"Bubble, Drop and Particle Unit" (BDPU)
können Tropfen oder Blasen unterschiedlicher Größe in
Probenbehälter, die mit einer Flüssigkeit gefüllt sind, gegeben
werden. Durch die Variation von Temperatur, Druck und elektrischen Feldern
lässt sich das Verhalten der Einschlüsse in verschiedenen Situationen
studieren. Insbesondere wurden Schmelz-, Erstarrungs-, Verdampfungs-,
Kondensations- und Strömungsvorgänge beobachtet. Untersucht wurden
die Störung der Kristallisation durch Gasblasen, die selbständige
Trennung einzelner Komponenten in Stoffgemischen während des Schmelzens
oder Erstarrens sowie Entstehung und Zusammenbruch von Dampfblasen beim lokalen
Erhitzen oder Kühlen von Flüssigkeiten bzw. Gaseinschlüssen.
Ebenfalls erforscht wurde die Siedekühlung von kleinen Bauteilen in der
Schwerelosigkeit und die Stabilität von Streifen dielektrischer
Flüssigkeiten innerhalb eines elektrischen Feldes. Dabei verändern
Flüssigkeiten wie Motor- oder Silikonöl ihre elektrischen
Eigenschaften minimal. Werden sie an den Enden auseinandergezogen, so
reißt der Flüssigkeitsfilm im elektrischen Feld später
(Elektrodynamik flüssiger Brücken). In der BDPU wurden auch
Experimente zur Bewegung von Blasen in einer Flüssigkeit, die sich in
einem Behälter befindet, der auf einer Seite erhitzt und auf der anderen
Seite gekühlt wird, vorgenommen. Dadurch ergeben sich Unterschiede in der
Oberflächenspannung, welche die Bewegungen der Blasen beeinflussen. Die
Oberflächenspannung ist auch Ursache für turbulente
Konvektionsflüsse in mehrschichtigen Flüssigkeitsfilmen
unterschiedlicher Temperatur. Verwendet wurde hierbei Methanol, das sich
zwischen einer kalten und einer warmen Oktanschicht befand. Durch Observation
der Fließgeschwindigkeiten aller drei Schichten wurde festgestellt, bei
welchen Temperaturwerten sich die Strömung destabilisierte (Marangoni
Konvektion). Schließlich wurde die Bewegung von Blasen und Tropfen in
einer Flüssigkeit bei unterschiedlichen Temperaturen beobachtet.
Forschungsschwerpunkt hierbei war die gegenseitige Beeinflussung der 6 bis 10
Tropfen oder Blasen, die bei jedem Testlauf injiziert wurden.
Mit der
"Advanced Gradient Heating Facility" (AGHF) werden
Kristallisationsexperimente durchgeführt. Dabei kann der Rand der
Erstarrungszone durch einen Stromimpuls markiert werden (Pektier Impuls
Markierung). Auf der Erde lassen sich die Erstarrungsfronten dann in
Querschnitten der hergestellten Kristalle feststellen. Damit ist eine exakte
Bestimmung der Wachstumsrate möglich. 6 Untersuchungen wurden insgesamt
absolviert. So wurde eine vergleichende Studie zur Bildung von porösen und
dentritischen (baumartigen) Kristallen einer Aluminiumlegierung in der
Schwerelosigkeit und bei normaler Gravitation durchgeführt. Poröse
Kristalle entstehen bei schneller Abkühlung, dendritische bei sehr
schneller Schockkühlung. Forschungsgegenstand war der Grenzbereich
zwischen beiden Kristallisationsarten. Außerdem erforscht wurden die
Kristallisation von Legierungen, die auf der Erde nicht gemischt werden
können (Aluminium- und Indiumproben), die Auswirkungen der Konvektion
(Oberflächenströmung) auf die Grenzflächenkrümmung
während des Wachstums von Gallium-Indium-Antimonid-Kristallen, die Bildung
einer länglichen oder runden Kristallkörnung in Abhängigkeit von
der Temperatur und anderen Faktoren bei Aluminium-Kupfer-Legierungen und das
Einschließen oder Herausschieben von keramischen Partikeln (Zirconium) an
Grenzflächen erstarrender Metalle (Aluminium bzw.
Aluminium-Nickel-Legierung). Falls die Partikel in die Kristallstruktur
eingebaut werden, ergeben sich häufig verbesserte Eigenschaften, wie
höhere Festigkeit und Elastizität. Welche Bedingungen für einen
Einbau günstig sind, war ebenfalls von Interesse. Auf der Erde wurden
derartige Vorgänge mit organischen Substanzen und
Polystyrol-Kügelchen simuliert.
Wie bei jedem Flug befand sich auch
eine Anlage zur Herstellung von Proteinkristallen an Bord. Die Experimente
werden von der Erde aus gesteuert (TeleScience), die Astronauten müssen
den Komplex nur einschalten. Auf diese Weise gelangten etwa 5.000 Bilder von
Kristallisationsvorgängen auf die Erde. Die Kristalle selbst wurden nach
der Rückkehr auf die Erde mit speziellen Röntgenverfahren analysiert.
Bei der Mission
STS-78 wurden der Rezeptor des epidermalen
Wachstumsfaktors EGF synthetisiert und die Kristallisation von
Cyanin-Bestandteilen zur Entwicklung verbesserter Antikrebsmedikamente
untersucht. Weitere Proben enthielten RNA-Moleküle, Lysozyme,
Zellkernbestandteile, Photosystem I, Bacteriorhodopsin, das Apoptose-Protein
CcdB sowie schwefelhaltige Alkohol-Dehydrogenase. Die Untersuchungen sollen zur
Entwicklung neuartiger Medikamente beitragen und die günstigsten
Bedingungen für die Herstellung besonders reiner und
regelmäßiger Proteinkristalle aufzeigen.
Störungen im
Kristallaufbau können dabei durch die minimalen Beschleunigungen
auftreten, die von Triebwerkszündungen, der Bremswirkung der oberen
Atmosphäre und den Bewegungen der Raumfahrer verursacht werden. Da man sie
nicht vermeiden kann, werden sie gleich mit drei Anlagen sehr genau gemessen.
SAMS erfasst kurzzeitige Beschleunigungen, OARE länger anhaltende. Beide
Experimente gehören zur Standardausstattung des Shuttle. Die "Microgravity
Measurement Assembly" (MMA) ist ein Sensoren-Netzwerk, das im Spacelab
installiert ist und alle Beschleunigungen zuverlässig misst.
Zu den
Routineexperimenten an Bord gehörten das Amateurfunksystem
SAREX, die fotografische Dokumentation besonderer
Ereignisse auf der Erde (z. B. Waldbrand in Arizona) und die Erprobung des
neuen
Wärmeregulationssystems FES. Besonders hervorgehoben wurde
der Einsatz eines Videokonferenzsystems, mit dem Beratungen zwischen den
Astronauten und den Wissenschaftlern auf der Erde über den Fortgang und
eventuelle Änderungen der Experimente direkt erfolgen konnten.
Nach einer zwischenzeitlich angeordneten Flugverlängerung um einen
Tag - den Wissenschaftlern sollte zusätzliche Zeit für die
Durchführung der Experimente gegeben werden - wurde
STS-78 der bis dahin längste Flug eines Space
Shuttle.